Behelfspersonenwagen MKB 12

Schon relativ früh in der Geschichte der Eisenbahn fand eine Spezialisierung der Waggons statt. Der "Adler" hatte bei seiner ersten Fahrt zwischen Nürnberg und Fürth nicht nur mehrere aus Pferdekutschen umgebaute Personenwagen im Schlepp, sondern - glaubt man der Legende - transportierte auch Fracht in Form von zwei Bierfässern der Marke "Lederer-Bräu" auf dem Tender.
Die Verschiedenartigkeit der in der Folgezeit zu transportierenden Güter führte zur Herausbildung der klassischen Güterwagengattungen (gedeckte, offene, Flach- und Kesselwagen), die bis heute durch zahlreiche Spezialwagen ergänzt werden. Weitgehend unabhängig hiervon entwickelten sich die Bauformen der Personenwaggons. Dominierten hier zunächst die der Kutsche entlehnten Abteilwagen ohne Übergang, kamen später Wagen mit innerem Durchgang und Übergangseinrichtung zum Nachbarwagen dazu. Bei diesen Durchgangswagen erfolgte der Einstieg zumeist über offene (später geschlossene) Plattformen an den Wagenenden. Zur Erzielung eines gefälligeren Aussehens und zur leichteren Reinigung wurde der aus Holz gefertigte Wagenkasten mit Blechen verkleidet.
In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts ging man dann dazu über, Ganzstahlwagen zu konstruieren, deren Wagenkästen mit- oder selbsttragend ausgelegt wurden. Die Stabilität der Wagen nahm dadurch enorm zu, und die Fahrgeschwindigkeiten konnten deutlich erhöht werden.

Daher stellt diese Wagenbauart gewissermaßen einen Rückschritt dar, der wohl nur durch besondere verkehrliche Bedürfnisse zu erklären ist. Die "bedeckten Güterwagen mit Endperrons" sollten in der sommerliche Spitze im Ausflugsverkehr und dem herbstlichen Güterverkehr gleichermaßen eingesetzt werden. Auch dürften militärstrategische Interessen von Belang gewesen sein.

Die Brettersitzbänke entsprachen der Bauform für die 4. Klasse-Wagen und waren leicht demontierbar. Wagenheizung oder -beleuchtung waren nicht vorhanden, lediglich vier Kerzenhalter dürften für eine recht gemütliche Illumination gesorgt haben. Die Schiebetür wurde in der Sommersaison durch einen unbeweglichen Türeinsatz ersetzt.

In den preußischen Normalien von 1891 sind die Wagen im Musterblatt I 20 dargestellt. Auch andere Länderbahnverwaltungen, wie etwa die bayerische und sächsische, beschafften derartige Wagen, deren Ausführung nur geringfügig von der preußischen abwich.
Diese "Wechsel-" oder auch "Fakultativwagen" erreichten keine große Verbreitung: In der KED Stettin waren 1907 lediglich 71 Wagen, in der KED Altona 1901 nur 67 Wagen verzeichnet. Die Baujahre lagen zwischen 1885 und 1901.
Der Aufwand für diese Wagenbauart (Lagerung der nicht benutzten Sitzbänke und Schiebetüren, Umbau zum Saisonwechsel) und die nur begrenzte Einsetzbarkeit im Güter- oder Personenverkehr ließ sie bald überflüssig werden.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurden diese Wagen daher umgebaut. Zum Teil fanden sie als Güterzug-Packwagen (Pwgi pr 87b) Verwendung, ein anderes Einsatzgebiet erschloss sich für die Umbaugattung PwCid pr 88/07:

Neben einem kleinen Sitzabteil mit 16 Plätzen war ein Gepäck- sowie ein Dienstraum für den Zugführer eingerichtet. Das Gattungszeichen weist ihn als kombinierten Pack- und Dritter Klasse-Sitzwagen (PwC) mit innerem Durchgang (i) der früheren Vierten Klasse (d) preußischer Bauart (pr) aus, der im Jahre 1888 gebaut und 1907 umgebaut wurde. Die geschlossene Trennwand zwischen Sitz- und Packabteil machte ein außenliegendes, durchgehendes Trittbrett erforderlich, wie es auch bei den bekannten Abteilwagen üblich war. Anders konnte der Zugführer während der Fahrt nicht in seinen Dienstraum gelangen ! Auch diese Bauform dürfte keine große Verbreitung erfahren haben.

Unser Wagen 12 war zum Ende seiner Dienst­zeit im Bahn­be­triebs­werk Wuster­mark (Foto oben aus dem Jahr 1994, links 1990) als Werk­statt­wagen ein­ge­setzt, im Februar 1990 aus­ge­mu­stert und kam im Feb­ruar 1995 in den Be­stand der MKB.

Offensichtlich wurden bei einem Umbau die ur­sprüng­li­chen Schie­be­fenster durch klei­nere Fen­ster er­setzt.
Da der Wagen aber im Zuge seiner Auf­arbei­tung ohne­hin eine voll­stän­dige Er­neue­rung der Wand­be­plan­kung er­fahr­en wird, kann der originalgetreue Zustand bei diesen Arbeiten ohne Weiteres wieder­her­ge­stellt werden.

Das Musterblatt gibt glücklicherweise Anhaltspunkte auf die "echten" Fenstermaße, so dass ein erster Fensterrahmen bereits probeweise angefertigt und in den vergrößerten Fensterausschnitt gesetzt werden konnte:

Bei ersten Sicherungsarbeiten machten wir in einer Fenstertasche gleich zwei interessante Funde: Eine zusammengeknüllte Zeitung (Berliner Zeitung vom 26. Januar 1954) lässt auf das Jahr des Umbaus zum Werkstattwagen schließen. Ferner konnte ein Teil des originalen Fensters (untere Rahmenleiste) gesichert werden, der als Muster für die detailgetreue Rekonstruktion der Fensterrahmen (Holzart, Verzapfung, Fräsmaße) dienen wird.

Der gegenwärtige Zustand des Wagens lässt nur wenig Rückschlüsse auf seine frühere Inneneinrichtung zu. Auch ist die frühere Wagennummer nicht überliefert, lediglich die letzte Betriebsnummer der DR (Bauzugwagen) ist bekannt. Aus der musealen Perspektive gibt es daher keinen alleingültigen Originalzustand, der wieder herzustellen wäre.

Da Waggons kombinierter Bauarten (Sitz-, Gepäck- und Postwagen) bei den Klein- und Privatbahnen durchaus häufig anzutreffen waren, bietet es sich an, unseren Wagen 12 mit einer solchen Innenraumaufteilung zu gestalten: Der dreigeteilte Grundriss des PwCid pr 88/07 dient dabei als Vorbild, anstatt des mittigen Packraums ist jedoch ein weiteres Sitzabteil vorgesehen. Das stirnseitige Abteil erhält zeichnungsgetreu nachgebaute Brettersitzbänke 4. Klasse, für das Mittelabteil werden Lattensitzbänke der 3. Klasse (modifizierte S-Bahn-Bänke) Verwendung finden. Durch die seitlichen Schiebetüren können diese Bänke leicht entfernt werden, um das mittlere Abteil auch optional als Gepäckraum (z.B. für Fahrräder) einzusetzen. Das ursprünglich nur für den Zugführer gedachte Dienstabteil wird zusätzlich dem Souvenir- und Proviantangebot dienen.

Bis der Wagen ein Erscheinungsbild zeigt, das dem vorbildlich aufgearbeiteten Wagen MEM 556 der Museumseisenbahn Minden (Bild vom Oktober 2004) gleicht, wird gewiss noch einige Zeit vergehen...

Der gegenwärtige Zustand von MKB 12 lässt den Umfang der bevorstehenden Arbeiten erahnen !

Eine erste Vorstellung des Innenraums gibt das Vorbild aus Minden:

Um schon vor Beginn der Aufarbeitung eine Vorstellung von der späteren Raumaufteilung zu erhalten, wurde, quasi als kleiner Appetithappen, schon einmal eine Sitzbank an das "Musterfenster" gestellt. In dieses stirnseitige Abteil gehören zwar eigentlich Bretterbänke der vierten Sitzklasse, aber die Dritter-Klasse-Bank war gerade vorrätig...

Auch der Vergleich beider Innenaufnahmen macht deutlich, welches Ausmaß die Aufarbeitung annehmen wird. Über den Ablauf der einzelnen Arbeiten werden wir Sie hier selbstverständlich informieren !