Wie alles begann...
Für viele der eisenbahnbegeisterten Frühaufsteher dieses 9. Mai 1981 war es das erste Mal, dass sich die Möglichkeit zur hautnahen Begegnung mit der Dampflokromantik bot, hatten sie doch entweder das Ende der Dampflokzeit bei der Deutschen Bundesbahn verschlafen oder den Kontakt mit der Dampflok als Kindheitserlebnis nur am Rande und kaum bewusst erlebt.
"Sternfahrt nach Karow" hieß das Zauberwort, das einige Dutzend unausgeschlafene Reisende schon im ersten Morgengrauen den Weg durch den Kontrollpunkt Invalidenstraße gehen ließ, um an der ersten offiziell für westliche Interessenten freigegebenen Dampfzug-Sonderfahrt des DMV (Deutscher Modellbahnverband der DDR) teilzunehmen.
Ein Reisebus brachte die Gruppe durch das noch völlig verschlafene Ost-Berlin zum Bahnhof Oranienburg, wo
Die Geduld der Wartenden wird auf keine lange Probe gestellt, und eher noch als das Zischen des Dampfes oder das verhaltene Auspuffbullern kündet das sich verstärkende Stimmengewirr vom Einlaufen des Zuges.
Da ist sie auch schon heran, unsere Lokomotive,
Kameras klicken und surren, Schiebetüren grummeln und quietschen, jeder will einen Fensterplatz (weibliche Mitreisende verzichten zugunsten ihrer Kinder und jung gebliebenen Männer), und nachdem die Verteilung der Sitzplätze beendet ist, verströmen die ersten Thermosflaschen ihr Kaffeearoma und wollen wohl ernsthaft mit dem Duft aus dem Schlot der Lokomotive wetteifern ! Doch das, so ist es im Herzen der Reisenden beschlossene Sache, wird ihnen nicht gelingen !
6 Uhr 42 ! Ein Pfiff aus der Trillerpfeife, dann einer von der Lok, und man sieht die Ohren größer werden, gilt es doch, dem Auspuffschlag der anfahrenden Lokomotive die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken ! Manch einer träumt jetzt wieder den längst verdrängten oder vergessenen Wachtraum, der ihn selbst in die ölige und staubige schwarze Kluft des Lokführers schlüpfen
Aber nicht nur die dahineilende 52 6373 mit ihrem Zug und das rhythmische
Kremmen, Neuruppin, Wittstock, Pritzwalk, Meyenburg ... klangvolle Namen, Erinnerung für viele, unbekannt für andere, der Reiz der Fremde und das doch vertraute Gefühl des Reisens mit der guten alten Eisenbahn bewegen das Gemüt. Doch frohe Stimmung herrscht unter den Reisenden und vor allem: Erwartung ! Dann: 10 Uhr 54 ! Karow in Mecklenburg ist erreicht. In kurzer Folge sind die drei Sonderzüge eingetroffen. Weit über tausend Fahrgäste haben sie dem Bahnhof zugemutet, es mag bezweifelt werden, ob er sonst so viele im Laufe eines Monats zu sehen bekommt.
Rennend, drängelnd, schiebend reißen sich die Fotografen um die besten Standorte, als wäre die Veranstaltung in der nächsten Minute vorbei. Immerhin, die Maschinen sind jetzt von ihren Zügen getrennt, langsam schieben sie sich an den überfüllten Bahnsteigen vorbei, unter der Fußgängerbrücke hindurch.
Eine Wanderung setzt ein, die Massen ordnen sich: Die drei Dampflokomotiven, denen die einhellige Verehrung der Anwesenden gilt, haben Aufstellung genommen. Leise vor sich hinsäuselnde Kessel, von Zeit zu Zeit atmende und tickende Pumpen, zischende Ventile und das Konzert der Pfeifen geben die musikalische Untermalung zu der stolzen Parade.
44 296 und 50 3625 heißen die Schwestern unserer 52, die sich den Bewunderern stellen.
"Die Dampflokomotive in Bewegung" heißt das Motto der Rückfahrt. Halt auf freier Strecke, aussteigen und dann den Zug in der Vorbeifahrt fotografieren, filmen und: erleben ! Aus nächster Nähe den heißen Atem der Zylinder und den Gluthauch der Feuerbüchse spüren, das Rollen der mächtigen Räder und die wirbelnden Stangen
In dieser Stimmung traf im Zuge eine kleine Gruppe Mitreisender zusammen, die sich einige Tage später, nämlich am 12. Mai 1981, nochmals versammelte und darin übereinkam, dass die tätige Beschäftigung mit der richtigen, "großen" Eisenbahn über das Reisen hinaus die richtige Entscheidung für eine sinnvolle Freizeitgestaltung ist. Die AG Märkische Kleinbahn war entstanden. Mit dem gleichzeitig gefassten Beschluss, die abgestellte Werklok 1 der Casseler Basalt Industrie AG zu erwerben, waren die Weichen für die nächsten Jahre gestellt.
Bericht und Fotos: Martin van der Veer